DOSSIER

Zwei Tage bewegen wir uns an den Hängen am rechten Rhône-Ufer entlang. Auf dem Programm stehen spektakuläre Ausblicke über die Ebene und Zickzack-Kurse durch die Weinberge.
Zwischen Reben und Obstbäumen die Rhône hinauf
An den sonnigen Hängen des rechten Rhône-Ufers entdecken wir per Velo das Wallis neu. In zwei Tagen verheisst der «Chemin du Vignoble» grosse Emotionen... und grosse Anstrengungen.
Mit dem Velo durch das Rhône-Tal? Stundenlang unter einer bleiernen Sonne zwischen Autobahn, Fluss und Eisenbahnschienen in die Pedale treten? Wohl eher nichts für mich! Das war meine erste Reaktion auf den Streckenverlauf des «Chemin du Vignoble». Zum Glück habe ich mich dennoch über die Karte gebeugt und die 2007 geschaffene Strecke, die das Weinbauerbe des Wallis zum Thema hat, genauer unter die Lupe genommen.
Erste Feststellung: Die Strecke verläuft nicht einfach nur am Talboden entlang, sondern schlängelt sich fröhlich durch die Hänge der Südflanke. Zweite Feststellung: Sie führt durch zahlreiche Dörfer, die für ihren Charme, ihre Weinkeller und ihr Panorama berühmt sind. Kurz und gut: Die Karte wanderte in meine Fahrradtasche. Und mit ihr das Allernötigste, um die 84 Kilometer lange Strecke mit einem Höhenunterschied von 1750 Metern zu bewältigen.
WINZER ÜBER WINZER
Kurz nach der Abfahrt aus Martigny lassen wir das Reich der Obstbäume rasch hinter uns und kommen in das Reich der Reben. Steine, Staub und Sonne bilden die Kulisse. Die Strasse liegt vor uns wie ein von Rebpfählen umzingeltes Reptil und führt uns in einem leichten Auf und Ab von Dorf zu Dorf. Fully und seine mit Petite Arvine gespickten Hänge. Saillon mit seinem Miniweinberg, der dem berühmten Falschmünzer Farinet gewidmet ist und ganze drei Rebstöcke mit pergamentartiger Rinde zählt. Leytron, Chamoson, Ardon: Jedes Stück Land, das dem Berg abgerungen wurde, hat seine eigenen Rebsorten, seine eigenen Geschmackserlebnisse und seine eigenen Winzer. Und von diesen gibt es viele entlang unserer Strecke: 159 selbsteinkellernde Weinbauern, um genau zu sein. Diese Zahl macht demütig und zwingt radelnde Geniesser nebenbei dazu, sorgfältig auszuwählen, bei welchen davon sie einen Stopp einlegen möchten. Denn in die Radtaschen passt nicht viel hinein und der Weg ist noch lang.
Zu allen Seiten ziehen sich parallel verlaufende Rebzeilen über das geschwungene Gelände. Fendant, Johannisberg, Pinot noir und Gamay sind die in diesem Winkel des Landes am stärksten vertretenen Rebsorten. Aber hier wachsen auch Amigne, Humagne, Resi oder Cornalin sowie exotischere Sorten, allen voran die Oberwalliser Spezialitäten, die uns am Ende der Strecke erwarten. Dort sind wir allerdings noch nicht. Im Moment zeichnet sich Sitten mit seinen beiden Hügeln am Horizont ab. Der erste Tag unserer Tour neigt sich dem Ende zu. Jetzt müssen wir nur noch eine Unterkunft und eine einladende Terrasse finden, um uns von dem anstrengenden Tag zu erholen.
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EINLADENDES OBERWALLIS
Der zweite Teil der Strecke überrascht uns in einem fort. Zunächst ein netter Anstieg als Wachmacher. Hoch über dem Hauptort des Kantons Wallis geniessen wir die unverhoffte Aussicht über die Ebene, bevor es runter nach Saint-Léonard geht. Diese Achterbahnfahrt setzt sich über gut zwanzig Kilometer holprige Teerstrasse fort und führt uns durch kleine Täler, deren Hänge von bisweilen schwindelerregenden Trockensteinmauern befestigt werden. Fast unbemerkt überqueren wir die Raspille. Dieser Bach, der vom Plaine-Morte-Gletscher weit oberhalb von Crans-Montana die Hänge herabstürzt, bildet die offizielle Grenze zwischen dem französischsprachigen und dem deutschsprachigen Teil des Wallis. Das bedeutet auch, dass wir nach Salgesch kommen und uns unserem Endziel nähern.
Ein letzter Kraftaufwand für den Anstieg nach Varen, das Reich des Pinot noir, von wo aus sich der Blick über den Pfynwald erstreckt. Jetzt müssen wir nur noch das Dalatal durchqueren, bevor es runter nach Leuk geht. Eine kleine Auswahl guter Weine, einen leichten Sonnenbrand und das Gefühl, ein anderes Wallis entdeckt zu haben – das nehmen wir am Ende unserer fesselnden Tour mit nach Hause.
TEXT UND FOTOS: CLÉMENT GRANDJEAN
MEHR INFOS: Unsere Route: «Chemin du Vignoble», Nr. 72

DAS WALLIS ALS KONZENTRAT
Wo gibt es alle – oder fast alle – typischen Produkte des Wallis? Im Pavillon Fol’terres, wo an einem einzigen Ort die Schätze von 100 Winzern und 60 Handwerkern vereint sind.
Fol’terres
chemin du Rhône 135, 1926 Fully

ALTSTADT MIT CHARME
Gepflasterte Gässchen, idyllische Plätze und einladende Terrassen: Die mittelalterliche Altstadt von Sitten ist einfach bezaubernd.

EIN AUSSERGEWÖHNLICHER WALD
1997 wurde der Pfynwald zum Naturschutzgebiet erklärt. Er umfasst nicht nur einen der grössten Föhrenwälder der Alpen, sondern auch eines der bedeutendsten Auengebiete der Schweiz.